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Unser diesjähriges Adventssymbol ist die Wurzel Jesse

Der Profet Jesaja kündet im 11. Kapitel den Erlöser und Befreier an. Jener, der in der Vollmacht des Geistes Gottes kommt. Jener, der all denen zum Recht verhilft, die unter die Räder kommen. Und dieser Erlöser hat seine Wurzeln im Stamm Isai; im Königshaus Davids. Doch die Wurzeln gehen noch weiter, bis in die Ewigkeit hinein, bis zu Gott. Der Erlöser stammt aus Gott.

Unser Adventssymbol ist die Wurzel. Es macht uns aufmerksam, die Wurzel zu kennen und zu bekennen: Christus, den Erlöser. Im Herzen wissen, dass unsere Wurzeln in Gott hinein reichen, in Seine Liebe, das gibt uns Halt. Das nährt uns. Und wir werden fähig, anderen Mut zu machen. Für das Recht Gottes und anderer Menschen einzustehen, wird dann auch uns ein Anliegen.

Vor bald 80 Jahren, am 24. August 1943, ist die französische Philosophin und Mystikerin Simone Weil verstorben. Sie wurde nur 34 Jahre alt. Ursprünglich stammt Simone Weil aus einem jüdischen Elternhaus; später ist sie fasziniert von den Ideen des Kommunismus. Simone Weil hat sich in ihren Schriften, und vor allem praktisch, für Gerechtigkeit eingesetzt. In ihr schlägt ein grosses und leidenschaftliches Herz für die vielen, die damals unter elenden Bedingungen leben müssen, für all die, die erniedrigt werden. Sie will ihnen nahe sein; ganz konkret. Zum Beispiel teilt Simone Weil einen grossen Teil ihres Lohnes mit den notleidenden Arbeiterfamilien. Sie arbeitet zeitweise ebenfalls in einer Fabrik; oder im Winter heizt sie ihr Zimmer nicht, aus Solidarität mit jenen, denen Kohle und Holz fehlen. Simone Weil hat ihr kurzes Leben lang auch unerbittlich nach der Wahrheit gesucht. Sie hat so stark gesucht, dass sie von Christus gefunden wurde. Wer die Wahrheit sucht, der wird früher oder später von Christus gefunden.

in Thema, das sie immer neu beschäftigt hat, ist das Thema: Verwurzelung und Entwurzelung. Sie weiss, dass der Mensch ohne Wurzeln nicht leben kann; er wird haltlos und steckt damit andere an. Es ist wie eine ansteckende Krankheit. Einmal notiert sie: ‚Die Entwurzelung ist bei weitem die gefährlichste Krankheit der menschlichen Gesellschaft. Wer entwurzelt ist, entwurzelt. Wer verwurzelt ist, entwurzelt nicht. Die Verwurzelung ist vielleicht das wichtigste und meistverkannte Bedürfnis der menschlichen Seele.‘ Die Wurzel kennen und sie nicht abschneiden; sich nicht von ihr trennen. Das ist bis heute gültig.
Simone Weil wusste, wie wichtig es ist, die Wurzeln zu kennen, verwurzelt zu sein. Nehmen auch wir es ernst. Manche fühlen sich heute haltlos, inmitten der masslosen Flut von Bildern, Worten, Meinungen und Eindrücken. Es macht haltlos, weil wir in all dem nicht mehr wissen, wohin wir gehören, woran wir uns orientieren dürfen. Wen wir erwarten dürfen.

Die Adventswurzel erinnert uns daran, unaufgeregt, ruhig. Die Wahrheit ist immer einfach und gross. Die Wahrheit hat einen Namen, ist ein Du.

In der Liebfrauenkapelle befindet sich ein Deckenfresko mit der Wurzel Jesse. Das Fresko stammt aus dem Jahre 1522. Es wurde meines Wissens nie übermalt oder ausgebessert, sondern immer nur gereinigt. Daher ist es noch im Original erhalten. 
Die Aufzählung des Stammbaumes beginnt mit König David, dargestellt mit der Harfe, befindet er sich links vom Altar, oberhalb des Gnadenstuhlreliefs. Der Betrachter folge den Rebranken von David bis zur Mitte der Decke, wo das Ende mit der heiligen Familie endet. Die ganze Aufzählung findet man bei Matthäus 1,1-16, 1,18-23.

Der Altvater der Schweizerischen Kunstgeschichte, Johann Rudolf Rahn, schildert das Fresko so: Das zierlich gefügte Netzgewölbe mit den buntgefassten Rippen teilt die Gewölbekappe in Felder der Freskomalerei, welches sich in ein dreifaches Thema ausbreitet. Der westliche der Schlusssteine zeigt die Heiliggeisttaube und das anschliessende Mittelfeld, das nimbierte Brustbild des segnenden Gottvaters. In den anschliessenden Calotten tragen Engel die Passionswerkzeuge Christi. Den grössten Teil der Gewölbefelder beanspruchen fortlaufende grosszügige, locker und dünnstielige, beblätterte Ranken, von denen Blütenkörbe mit herauswachsenden männlichen Halbfiguren abzweigen. Die charaktervollen Gestalten sind nach der Renaissance-Mode der damaligen Zeit vielgestaltig und fantasiereich gekleidet, halten zum Teil Rollen und disputieren eifrig. Die seltsamen Früchte des Rankenbaumes sind die alttestamentlichen Vorfahren Christi, was sich sofort bestätigt findet, sobald wir Anfang und Ende dieses Stammbaumes betrachten: Er entspriesst bei David, der an seiner Harfe erkennbar ist und endet bei der heiligen Familie. In den Stichkappen finden sich die Bilder von der heiligen Katharina, der heiligen Barbara, der heiligen Agatha und St. Nikolaus. Links und rechts vom segnenden Gottvater sind Engel mit den Passionswerkzeugen zu sehen. Der klassische Arbol genealogico (Stammbaum) wurzelt aber meist bei der liegenden Gestalt Jesse, nach Jessaia 11,1: (egredietur virga de radice Jesse) Maria mit dem Kinde Jesu.

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