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Einladend Kirche sein – fünf Jahre Caffè sospeso

Im vergangenen November überarbeiteten wir als Seelsorgeteam an der Klausurtagung unseren Auftrag, eine Art Selbstverpflichtung für unsere tägliche Arbeit. Dort halten wir unter anderem Folgendes fest: «Wichtig ist uns, als Kirche Heimat und Herberge zu sein: einladend und gastfreundlich…»
Für mich als kirchlicher Sozialarbeiter ist Gastfreundschaft in der Kirche der prägende Mittelpunkt meiner Arbeit.

Verschiedene Erzählungen der Bibel in beiden Testamenten können Hinweise geben, wie Gast und Gastgeber aufeinander bezogen sind. Denken wir zum Beispiel an das Buch Leviticus: » Und wenn ein Fremder bei dir lebt in eurem Land, sollt ihr ihn nicht bedrängen. Wie ein Einheimischer soll euch der Fremde Gelten, der bei euch lebt. Und du sollst ihn lieben wie dich selbst, denn ihr seid selbst Fremde gewesen im Land Ägypten» (Lev 19,33f). Im antiken Griechenland bedeutete das Wort «xenos» sowohl Fremder als auch Gastfreundschaft. Eine gute Gastgeberin freut über den Besuch, bleibt offen und authentisch. Begegnungen geschen auf Augenhöhe, mit Interesse und Toleranz. Ebenso berichtet der Brief an die Hebräer darüber: «Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt» (Hebr. 13,2). Und vergessen wir das Gleichnis vom Festmahl im Lukasevangelium nicht: Alle, die von einem Mann zu einem grossen Festmahl eingeladen worden waren, sagten ab. «Da wurde der Mann zornig und sagte zu seinem Diener: Geh schnell hinaus auf die Strassen und Gassen der Stadt und hol die Armen und die Krüppel, die Blinden und die Lahmen hierher» (Lk 14,21). Das ist wahre Gastfreundschaft und Sinnbild, wie sich Jesus die zukünftige Welt vorstellt, in der die Güte Gottes bereits wirksam ist.

Das kleine Projekt im Peter Kafi «caffè sospeso – ein geschenkter Kaffee», das im März dieses Jahres sein fünfjähriges Jubiläum feiert, möchte genau diese Gastfreundschaft konkret umsetzen. Die Idee dahinter ist einfach: Die Gäste, die es sich leisten können, kaufen einen Kaffee und bezahlen einen zweiten für jemanden, der sich keinen leisten kann. Die Spender*innen und Empfänger*innen bleiben einander unbekannt, um Grosszügigkeit, Stolz und Genuss des Kaffees zu schützen bzw. keine Abhängigkeiten zu schaffen. Den «caffè sospeso» haben wir im Peter Kafi mit dem Genuss eines Stücks Kuchen erweitert.

In den letzten fünf Jahren konnten wir auf diese Weise Frauen, Männern und Familien, die es sich finanziell nicht leisten können, mit einem Kaffee über 1’300 Mal und mit eine Stück Kuchen über 450 Mal eine grosse Freude bereiten. Und ebenso ist es zu erwähnen, dass dank Ihren Spenden, liebe Pfarreiangehörige, nur ein geringes Defizit entstanden ist, das durch die Pfarramtskasse gedeckt werden konnte. Dafür danke ich Ihnen ganz herzlich. Ich bin überzeugt, dass wir mit «caffè sospeso» und dank Ihrer Unterstützung der Vision einer einladenden Kirche ein Stück nähergekommen sind.

Gastfreundschaft wir auch in den drei Gaststätten, die unserer Pfarrei gehören, Tag für Tag gelebt: im Peter Kafi, Restaurant Falkenburg und im Restaurant Pilgerhaus. Dafür gebührt den Gastgeber*innen unser besonderer Dank und unsere Anerkennung.

Die Gastgeberinnen des Peter Kafi, Susanne Hanimann, Erika Flammer, Marlies Kähli und Elisabeth Schellenbaum sowie des Restaurant Falkenburg, Margot Spiller, im Kurzgespräche über Gastfreundschaft.

Was bedeutet es für Euch, Gastgeber zu sein? 

Team Peter Kafi: Es ist uns wichtig, dass das Peter Kafi ein einladender Begegnungsort für unterschiedlichste Menschen ist. Wir wollen für die Gäste, insbesondere auch für dei Einsamen, da sein, ihnen ein offenes Ohr schenken, ihre Wünsche nach Möglichkeiten erfülle und ihnen bereichernde Stunden mit einem feinen Essen schenken. Zufriedene dankbare Gäste zu haben, erfüllt uns jeden Tag. 

Margot Spiller: An oberster Stelle steht für mich, dass sich die Gäste wohlfühlen - sie sollen sich bei mir wie in ihrer eigenen Stube fühlen. Ich setze alles daran, die Wünsche meiner Gäste zu erfüllen. Die Gäste verwöhnen, das möchte ich. 
Was kommt euch spontan in den Sinn, wenn Ihr über "Kirche als Gastgeberin" nachdenkt?

Team Peter Kafi: Die Kirche und somit auch unser Peter Kafi sollten ein Ort sein, um Gemeinschaft in all' ihren Facetten zu ermöglichen: ein offenes Haus für jede und jeden. Leider klaffen Wirklichkeit und Anspruch wie so oft auseinander. Wirtschaftlichkeit und "Kirche als Gastgeberin" widersprechen sich leider oft. Dennoch sollte das persönliche Gespräch mit dem Gast, mit der Besucherin, das Nachfragen nach seinem/ihrem Wohlbefinden immer im Mittelpunkt stehen. 

Margot Spiller: Dort, wo man hingehen kann, wenn einem die Decke auf den Kopf fällt, wenn alles brennt... Es ist auch ein Ort für Kinder und Jugendliche, die Gemeinschaft suchen. Für mich ist die Kirche in Wil ein solcher Ort der Gastfreundschaft: Sie ist offen und tolerant. Es spielt keine Rolle, woher du kommst... wenn sich allen Menschen willkommen fühlen und die Kirche für alle ein offenes Ohr hat. Die Kirche ist auch ein Ort für soziales Engagement, wo Menschen sinnerfüllt mitarbeiten. Die Kirche ist dann gastfreundlich, wenn Toleranz über den Konfessionsgrenzen steht. 
Welche Vision habt Ihr für eine einladende Kirche?

Team Peter Kafi: Wir sind überzeugt, dass wir an der Vision einer einladenden Kirche tagtäglich arbeiten. Wir sind ein Gasthaus, und das sollte die Kirche immer sein, offen für alle Menschen - unabhängig von Kultur, Religion, Geschlecht, Nationalität und ethnischer Herkunft. Gerade in der Zeit der Pandemie muss die Kirche ein Ort sein, um Einsame abzuholen, besonder ihnen Zeit zu schenken und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Zu kommen sehr viele Alleinstehende, Witwen und Witwer, die sehr dankbar sind, dass es uns gibt. 

Margot Spiller: Einladend ist die Kirche dann, wenn sie lebensnah, herzlich, für aller verständlich ist und ein offenes Ohr hat. Die Kirche soll fröhlich sein wie z.B. der Fastnachtsgottesdienst in Wil... wenn sich alle getragen fühlen, Nächstenliebe spürbar ist, kein Dogmatismus, sondern Authentizität gelebt wird. 

Kurzgespräche und Texte wurden von Franz Schibli, Leiter Soziales, geführt und geschrieben.

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