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Hans Mäder Rede zum Eidgenössischer Dank-, Buss- und Bettag

Am vergangenen Sonntag fand der ökumenischer Gottesdienst statt. Hier gibt es die Rede von Hans Mäder zum nachlesen.

Am dritten Sonntag im September feiern wir gemeinsam. Das heisst, Christinnen und Christen unterschiedlicher Konfessionen geben mit diesem Gottesdienst ein wichtiges Zeichen.

Christus ist in unserer Mitte – er ist unsere Mitte.

Rede von Hans Mäder:

Ich spreche auf Einladung der Landeskirchen anlässlich des Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettages zu Ihnen. Und ich habe das Thema der Erbsünde gewählt. «Überraschend für einen Nichttheologen» – wie auf der WebSite der evangelischen Kirchgemeinde nachzulesen ist.

Das ist wohl Teil meiner Natur: Dass ich mich und andere immer wieder überrasche. Manchmal ist das ganz Ok. Aber gestern, als ich den Gastbeitrag von Bundesrätin Karin Keller-Sutter zum Bettag gelesen habe, wurde mir doch etwas bang. Über die Bedeutung des Eidgenössischen Bettags zu sprechen, zu sagen, dass wir diesen staatlichen Feiertag seit 1832 feiern, wäre wohl einfacher gewesen, als öffentlich über das «Dogma» der Erbsünde nachzudenken.

Der Bettag ist ein staatlich angeordneter Feiertag. In einem Land, wo die Trennung von Staat und Kirche selbstverständlich ist – und im Gegenzug die Religionsfreiheit – gilt, scheint mir dies etwas ungewöhnlich. Doch der religiöse Friede war uns ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Auf der ganzen Welt ziehen Menschen – religiös aufgeladen – gegeneinander in den Krieg. Da ist der Bettag als Zeichen der Gemeinsamkeit ein durchaus wertvolles und zweckdienliches.

Als Sozialwissenschafter erklärt sich mir die Welt in Sozialen Systemen. Aus dieser Sicht bilden religiöse Menschen ein soziales System, dessen Zusammenhalt sich aus einem gemeinsamen Wertesystem erschliesst und dessen Grenzen die anderen Menschen als nicht zugehörig identifizieren. Dies hat, gerade in unsicheren Zeiten des Wandels entscheidende Vorteile für das Individuum: Es weiss immer, was richtig ist und was falsch.

Nach christlicher Tradition läutert das Sakrament der Taufe die sündige Seele und erlaubt es, diesen Menschen in die soziale Gemeinschaft aufzunehmen. Andere Religionen kennen diesen Ritus meines Wissens nicht, denn Muslime – um ein Beispiel zu nennen – werden im Zustand der Reinheit und ohne Sünde geboren. Eine Taufe als reinigendes Sakrament ist daher auch nicht notwendig.

Es hat mich schon immer fasziniert, welch hohen Stellenwert die Taufe im christlichen Glauben einnimmt. Meine Schwiegermutter hat unseren beiden Kindern heimlich den Segen erteilt, weil wir mit der Taufe nach ihrem Verständnis jeweils zu lange warteten. Mir war der Gedanke fremd, dass der gütige Gott den Vertrauensbuch des Menschen mit der endgültigen Vertreibung aus dem Paradies sanktioniert haben könnte. Aber genau dies ist das Konstrukt der Erbsünde: Das Gott und der Mensch durch den Sündenfall getrennt wurden und der Tod in die Welt kam.

Im Deutschen besteht das Wort Erbsünde aus den Teilen «erben» und «sündigen». Ein Konzept, das auf den Apostel Paulus zurückgeht, der im ersten Korintherbrief folgendes Dogma aufstellte: «Denn wie in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle lebendig gemacht werden».

Wie schon festgestellt, hat mich dieses Axiom nie überzeugt. Für mich war die Vertreibung des Menschen aus dem Paradies zwar selbstverschuldet, im Übrigen aber eine Metapher für unsere Unfähigkeit im Einklang mit der Natur und der Umwelt zu leben. Die lateinische Übersetzung der Erbsünde, «Paccatum originale» was soviel wie Ursünde bedeutet, kommt dieser Interpretation näher. Wenn wir also von Ursünde und nicht von Erbsünde sprechen, so wird diese nicht mehr einfach vererbt. Wir selbst sind es, die sündigen. Wenn überhaupt.

Bezeichnen wir Sünde als Verstoss gegen die Gesetze Gottes. Wodurch sündigt denn der Mensch, dass er aus dem Paradies vertrieben werden muss? In meinem Verständnis ist unser grösster Fehler, dass wir alles aus der Sicht des Menschen beurteilen. Wir machen uns die Natur untertan – uns fehlt der gebotene Respekt vor der Welt, wie sie uns geschenkt wurde. In einer Kosten-Nutzen-Rechnung wird die Dimension des Nutzens auf die pekuniäre beschränkt. Vielleicht sollte der Satz: «Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst» ergänzt werden. Liebe die Natur wie Dich selbst.

Nun sind wir ja durchaus auf einem guten Weg. Wir lernen gerade in einem harten Prozess den Respekt vor der Natur neu. Damit rede ich nicht einem religiös begründeten Umweltwahn das Wort. Fanatismus ist mir immer zuwider.

Was mich schon immer beschäftigte, war im Zusammenhang mit der Ursünde nicht der Sündenfall als soches, sondern auch die ausgesprochene Strafe. Und worin besteht den eigentlich die Strafe Gottes?

Für mich als Ökonom ist das die Beschränkung der Verfügbarkeit sämtlicher Güter. Während im Paradies alles im Überfluss verfügbar ist, streiten wir im Diesseits um Luft, Wasser, Land und Aussicht. Deshalb müssen wir alle Dinge bepreisen. Sozialismus, Kommunismus, Kapitalismus sind alles Antworten auf die Frage, wie diese knappen Güter verteilt werden sollen.

In diesem Sinne sündigen wir, weil wir als Mensch einen überproportional grossen Anteil an den knappen Gütern einfordern. Unser Haus vernichtet Lebensraum, ein Mensch verbraucht in seinem Leben rund 300 Millionen Liter Luft.

A propos Luft.

Nun können wir uns ja nicht einfach in Luft auflösen. Was können wir also tun? Für mich sind die Forderungen des Club of Rome ein guter Ansatz:

  1. Veränderung der Wirtschaftssysteme in Richtung Nachhaltigkeit
  2. Entkopplung von Wohlstand und Ressourcenverbrauch
  3. Sicherung der Lebensgrundlagen

Die anstehenden Herausforderungen bewältigen wir nur gemeinsam. Unabhängig von Farbe, Religion oder Stammeszugehörigkeit.

Doch können wir so das verlorene Paradies zurückholen? Ich bin, ehrlich gesagt, etwas pessimistisch. Unsere menschliche Natur ist auf Wachstum ausgerichtet. Aber vielleicht entsteht mitten unter uns etwas Neues, einem Wunder gleich, das die Vertreibung aus dem Paradies rückgängig machen kann. Ich bin guter Hoffnung.

Und wenn Sie nun finden, das sei alles etwas gar abstrus und weit hergeholt, so antworte ich Ihnen: «Ja, vermutlich haben Sie recht». Aber es sind dennoch meine Gedanken zum Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag.

Machen wir uns also gemeinsam auf den Weg und schaffen uns das Paradies auf Erden. Wie gesagt: Ich bin guter Hoffnung und trage meinen Teil bei.

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